.
Was macht gute Beiratsarbeit aus?
.

Ergebnisse einer Studie mit qualitativen Tiefeninterviews mit 16 aktiven Aufsichtsrats-/Beiratsmitgliedern, Geschäftsführern und Gesellschaftern; durchgeführt von NextGen Board e.V. im Zeitraum Juni – September 2024
Der deutsche Mittelstand steht vor großen Herausforderungen wie der digitalen Transformation, Nachhaltigkeit (ESG), Internationalisierung und dem Wandel der Arbeitswelt.
Aufsichtsräte und Beiräte können eine entscheidende Rolle spielen, Unternehmen kompetent und proaktiv durch diese Transformationsprozesse zu begleiten. Gleichzeitig ist in den nächsten Jahren aufgrund der teilweise sehr hohen Altersstruktur in deutschen Gremien mit zahlreichen Neubesetzungen zu rechnen.
Es stellen sich die Fragen: Wann ist ein Beiratsgremium zukunftsorientiert aufgestellt? Was ist bei der Neubesetzung, bei einer strategischen Neuausrichtung oder bei der erstmaligen Etablierung eines Beirats zu beachten? Welche Erfolgsfaktoren sind dafür entscheidend? Was macht gute Beiratsarbeit aus?
Professionelle Governance
Ein guter Beirat verfügt über eine klar definierte Geschäftsordnung, die die Rechte und Pflichten der Mitglieder festlegt. Ein regelmäßiger und fest etablierter Austausch von Erwartungen sowohl innerhalb des Gremiums als auch zwischen Gremium und Geschäftsführung sorgt für klare Verhältnisse. Darüber hinaus werden in erfolgreichen Beiräten die Ziele und Interessen der Gesellschafter aktiv erarbeitet und beispielsweise in einer Inhaberstrategie festgehalten.
„Formalismen sind nicht nur hinderlich – im Gegenteil, sie bieten wichtige Orientierung.“ Beirat eines mittelständischen Maschinenbauunternehmen.
Zukunft im Fokus
Gute Beiräte beschränken sich nicht nur auf Berichts- und Kontrollaufgaben, sondern geben den Bereichen Strategie, Innovation, Wandel und Personalentwicklung ausreichend Raum und Aufmerksamkeit. Nur durch einen vorausschauenden Blick können Fehlentwicklungen verhindert und Chancen rechtzeitig erkannt werden. Ein erstes Zeichen dafür, dass ein Beiratsgremium zukunftsorientiert arbeitet, ist eine Tagesordnung, in der relevante Zukunftsthemen ausführlich behandelt werden. Dazu gehört auch, Bewährtes ohne Vorbehalte in Frage zu stellen und im Kontext von zukünftigen Entwicklungen neu zu bewerten.
„Ich glaube, dass wir die klassische Agenda einer solchen Sitzung radikal umstellen müssen. Es kann nicht sein, dass Themen rund um Innovation, Zukunft und Neues nur am Ende unter „Diverses“ kurz auftauchen.“ Multi-Beirätin und strategische Beraterin für Familienunternehmen.
Bindeglied und Steuerungsinstrument
Ein guter Beirat dient als zentrales Bindeglied zwischen der Unternehmensführung und den Gesellschaftern. Er agiert als Vermittler zwischen der Geschäftsführung und den Inhabern (im Familienunternehmen gegebenenfalls auch zwischen verschiedenen Familienstämmen). Dabei sorgt er dafür, dass die Interessen der Gesellschafter gewahrt bleiben, während gleichzeitig die nötige Distanz und unternehmerische Freiheit für die Geschäftsführung und das Management erhalten bleiben. Zudem übernimmt der Beirat in Familienunternehmen oftmals eine Schlüsselrolle beim Generationenübergang, indem er als Berater für die Nachfolger fungiert.
„Diplomatisches Geschick ist immens wichtig. Wir können als Neutrale vermitteln und Kompromisse im Sinne des Unternehmens finden.“ Beirat eines mittelständischen Unternehmens im Dienstleistungssektor.
Systematischer Besetzungsprozess
Ein erfolgreiches Beiratsgremium wird in einem klar strukturierten und professionell organisierten Besetzungsprozess zusammengestellt. Dabei ist es entscheidend, dass die Anforderungsprofile der Beiratsmitglieder aus den spezifischen Kernthemen sowie zukünftigen Herausforderungen des Unternehmens abgeleitet werden und die Rollen nach fachlicher Kompetenz besetzt werden. Im besten Fall wird kontinuierlich und systematisch in den Aufbau eines Netzwerks potenzieller und professioneller Beiratskandidaten investiert. Ein grundlegendes “Branchen- und Geschäftsverständnis” sollte bei allen Mitgliedern des Gremiums gegeben sein oder kurzfristig im Rahmen des Onboardings geschaffen werden.
“Talent Scouting ist für uns ein kontinuierlicher Prozess. Wir gehen sehr sorgfältig und strategisch vor und nehmen uns die nötige Zeit. Das zahlt direkt in die Qualität unseres Gremiums ein”. Aufsichtsrat eines weltweiten IT-Unternehmens.
Kompetenz- und zukunftsorientierte Anforderungsprofile
Die Anforderungsprofile der Beiratskandidaten werden gezielt auf Basis der strategischen Kernthemen des Unternehmens erstellt und können je nach Phase, in der sich das Unternehmen befindet, variieren. Neben Branchenexpertise und ausgewiesener Erfahrung in Unternehmensführung spielen dabei fundierte Kenntnisse in Zukunftsbereichen wie Innovation, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit eine immer zentralere Rolle. Der Nachweis kontinuierlicher Weiterbildung ist dabei sehr hilfreich. Zusätzlich wird darauf geachtet, Beiratsmitglieder mit vielfältigen fachlichen und persönlichen Hintergründen – etwa in Bezug auf Herkunft, Alter und Geschlecht, aber auch Persönlichkeit – zu gewinnen, um eine breite Palette von Perspektiven und Ideen zu fördern. Eine zukunftsorientierte Auswahl sucht explizit nach Kandidaten mit ausgewiesener Erfahrung in Transformationsprozessen, damit diese aktiv an der Gestaltung dieser Veränderungen mitwirken und so die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen können.
“Beiratsarbeit ohne Tranformationsarbeit gibt es quasi nicht mehr. Beiräte müssen so besetzt sein, dass sie das das nicht nur stemmen sondern einfordern und vorausdenken können.” Gesellschafter und Beirat eines Unternehmens der Gebrauchsgüterindustrie.
Zugang zu qualifizierten Netzwerken
Gute Beiräte verschaffen Unternehmen Zugang zu relevanten Netzwerken aus qualifizierten Fach- und Branchenexperten. Dadurch können Chancen und Risiken in zukunftsweisenden Bereichen wie Digitalisierung, neuen Geschäftsmodellen, Internationalisierung, geopolitischen Risiken etc. frühzeitig erkannt und aktiv bearbeitet werden. Diese Netzwerke umfassen auch professionelle und multi-perspektivische Kontakte, die für Neubesetzungen von Beiräten wertvoll sind.
Ein effektiver Beirat bringt nicht nur umfassende Kompetenz-Netzwerke, sondern auch die Marktperspektive und wertvolle Kontakte zu potenziellen Kunden ein. Diese Netzwerke können gezielt genutzt werden, um die Glaubwürdigkeit des Unternehmens bei der Kundenakquise und -bindung zu stärken. Im Start-up-Bereich sind Kontakte zu Kapitalgebern von besonderer Bedeutung, da sie helfen, strategische Partnerschaften zu knüpfen und die Position des Unternehmens im Markt nachhaltig zu stärken.
“Unsere Beiratsmitglieder verschaffen uns wertvollen Zugang zu Experten und Kunden. Auch international. Das ist gerade für uns als kleineres mittelständisches Unternehmen sehr hilfreich.” Geschäftsführerin mittelständisches Unternehmen.
Selbstreflektion und kontinuierliche Verbesserung
Gute Beiratsgremien reflektieren und evaluieren regelmäßig ihre Zusammenarbeit und Leistung. Fragen wie: „Was läuft gut? Was kann verbessert werden? Wo können neue Ansätze ausprobiert werden?“ helfen dabei, die Effektivität des Gremiums zu sichern und kontinuierlich zu steigern. Diese Reflexionskultur hat auch einen Vorbildcharakter für den Rest der Organisation.
Pragmatische Werkzeuge wie Retrospektiven nach Sitzungen oder auch eine gemeinsame vorbereitende Abstimmung der anstehenden Sitzung können diesen Prozess unterstützen. Eine offene Lernkultur und gegenseitiges Vertrauen sind entscheidende Faktoren.
„Auch für Beiräte gilt: Nichts ist schlagkräftiger als eine Gruppe von Menschen, die Vertrauen zueinander haben und bereit sind, sich kritisch zu hinterfragen.“ Multiaufsichtsrat und Verwaltungsrat verschiedene Branchen.
Balance zwischen Risiko und Regulatorik
Unternehmen in Deutschland stehen vor zahlreichen regulatorischen Anforderungen. Ein guter Beirat unterstützt die Geschäftsführung dabei, Vorschriften nach dem Prinzip der Wesentlichkeit zu bewerten und Entscheidungen zu unterstützen. Dabei spielt der Blick von außen eine entscheidende Rolle, der dabei hilft, Themen und Prozesse kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig Sparringspartner für die Geschäftsführung zu sein. Die finale, operative Verantwortung der Umsetzung sollte bei der Geschäftsführung liegen.
„Eine sachliche Reflexion der regulatorischen Anforderungen ist unerlässlich – jedoch ohne übermäßiges „Bedenkenträgertum“. Gründer und Gesellschafter eines mittelständischen Technologieunternehmens.
Ein zukunftsorientierter Beirat ist von entscheidender Bedeutung für den deutschen Mittelstand, der vor großen Herausforderungen wie der digitalen Transformation, Nachhaltigkeit, Internationalisierung und dem Wandel der Arbeitswelt steht. Durch professionelle Governance, Fokussierung auf Zukunftsthemen, systematische Besetzung, Zugang zu qualifizierten Netzwerken und kontinuierliche Selbstreflexion kann der Beirat eine wertvolle Rolle als Bindeglied und Steuerungsinstrument zwischen Unternehmensführung und Gesellschaftern einnehmen.
Sprechen Sie uns gerne unverbindlich an.