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Beiratsfähigkeit als Voraussetzung für wirksame Gremienarbeit

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Eine Governance-Perspektive

Ein Impuls von NextGen Board e.V.

Einleitung

Beiräte gelten als wirksame Instrumente zur Weiterentwicklung von Unternehmen – strategisch, kulturell und in der Steuerung. Doch nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, einen Beirat wirksam zu etablieren. Zu oft fehlen die strukturellen Voraussetzungen, damit ein Gremium nicht nur entsteht, sondern Wirkung entfalten kann.

Beiratsfähigkeit ist keine Formsache – sie ist ein Ausdruck der inneren Reife eines Unternehmens. Dieses Whitepaper zeigt, woran Beiratsfähigkeit zu erkennen ist, wie sie erreicht werden kann und welche Rolle eine durchdachte Governance-Architektur dabei spielt.

Was ist Beiratsfähigkeit – und wann liegt sie vor?

Beiratsfähigkeit ist die strukturelle und kulturelle Fähigkeit eines Unternehmens, ein Gremium mit klarer Rolle und messbarer Wirkung zu etablieren. Sie ist weder ein rechtlicher Status noch eine einmalige Entscheidung, sondern ein Reifegrad, der sich in mehreren Dimensionen zeigt.

Strukturelle Beiratsfähigkeit zeigt sich unter anderem durch:

  • dokumentierte Entscheidungsprozesse und klare Verantwortlichkeiten
  • regelmäßige, aussagekräftige Berichterstattung
  • transparente Informationsflüsse zwischen Management und Gremium
  • etablierte Governance-Zyklen (Planung, Umsetzung, Kontrolle, Anpassung)

Kulturelle Beiratsfähigkeit entsteht, wenn:

  • externe Perspektiven willkommen sind, denn der Beirat ist weder Geschäftsleitung noch Stakeholder
  • Bereitschaft zur Rechenschaftslegung besteht
  • der Beirat als Sparringspartner verstanden wird – nicht als Kontrolle
  • eine Lernkultur im Unternehmen verankert ist

Strategische Beiratsfähigkeit ist gegeben, wenn:

  • Vision und Strategie als Grundlage für Beiratsarbeit dienen
  • ESG-Aspekte integriert sind
  • Risikomanagement aktiv betrieben wird

Typische Merkmale beiratsfähiger Unternehmen:

  • Gremien Governance (oftmals bezeichnet als Corporate Governance): Klar definierte Rollen, Entscheidungswege, Transparenz und Verantwortung
  • Nachhaltigkeits-Governance (ESG): Verankerung von ökologischen und sozialen Faktoren in der Steuerung
  • IT- & KI-Governance: Strukturierter Umgang mit Daten, Zugriffsrechten, digitaler Kommunikation und Informationsbereitstellung

Warum Governance der Schlüssel zur Beiratsfähigkeit ist

Governance ist der strukturelle Rahmen, der es Unternehmen ermöglicht, Verantwortung wirksam zu organisieren. Sie beschreibt, wie gesteuert, kontrolliert und weiterentwickelt wird – nicht als Standardmodell, sondern als unternehmensindividuelle Governance-Architektur.

Diese Architektur umfasst alle Elemente, die für gute Steuerung notwendig sind: Prozesse, Rollen, Gremien, Entscheidungsregeln, aber auch Kultur, Informationsflüsse und technologische Voraussetzungen.

Für mittelständische Unternehmen ist das kein abstraktes Konstrukt, sondern ein praktisches Modell zur Orientierung und Weiterentwicklung.

Gute Governance ist mehrdimensional. Sie besteht nicht nur aus Gremienstrukturen, sondern aus einem systematischen Zusammenspiel verschiedener Steuerungselemente:

  1. Strategie-Governance: Zielbilder, langfristige Planung, strategische Steuerung
  2. Risiko-Governance: Bewusstsein für Risiken, Risikomanagement, Entscheidungsqualität
  3. Kultur-Governance: Werte, Kommunikationskultur, gelebte Verantwortung
  4. Corporate Governance (Gremien und -Strukturen): Zusammensetzung, Aufgaben, Rollen, Mandat
  5. IT- & KI-Governance: Datenmanagement, digitale Sicherheit, ethische KI-Nutzung
  6. Compliance-Governance: Verbindlichkeit, Regelkonformität, ethische Standards
  7. Nachhaltigkeits-Governance (ESG): Verantwortung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und Zukunft

Wer die Beiratsfähigkeit eines Unternehmens stärken will, muss diese Steuerungselemente nicht alle perfektionieren – aber verstehen, wo die eigenen Stärken und Lücken liegen. Denn: Governance ist nie Selbstzweck. Sie ist das Betriebssystem unternehmerischer Zukunftsfähigkeit.

Die versteckten Kosten mangelnder Governance

Governance wird oft unterschätzt – solange alles gut läuft. Doch sobald sich Märkte verschärfen, Investoren kritisch nachfragen oder die operative Komplexität steigt, zeigen sich strukturelle Schwächen deutlich. Besonders für Unternehmen, die Beiratsstrukturen etablieren oder weiterentwickeln möchten, stellt eine unzureichende Governance ein erhebliches Risiko dar.

Einordnung im aktuellen Regulierungsumfeld

Ein entscheidender Treiber für Governance-Professionalität ist der regulatorische Wandel. Die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) haben bereits viele Unternehmen dazu gezwungen, sich mit ESG-Themen und deren Governance-Relevanz auseinanderzusetzen. Noch umfassender und konkreter wirken die neuen Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für Governance und Risikomanagement, die ab 2025 in Kraft treten.

Zwar gelten diese formal nur für regulierte Institute, doch sie wirken weit über den Finanzsektor hinaus: Investoren, Kreditgeber und andere Stakeholder übernehmen diese Anforderungen zunehmend als Maßstab für professionelle Steuerung.

Die Leitlinien verlangen unter anderem:

  • ein überprüfbares Governance-Framework
  • eine dokumentierte, risikoorientierte Steuerung auf allen Ebenen
  • klar zugewiesene Verantwortlichkeiten
  • eine aktive Rolle von Gremien in Strategie und Überwachung
  • sowie die Integration von ESG in das Risikomanagement

Die betriebswirtschaftlichen Risiken unzureichender Governance – im Überblick

Strategische Fehlentscheidungen: Ohne klare Prozesse und transparente Verantwortlichkeiten werden strategische Entscheidungen oft ad hoc oder personenabhängig getroffen. Fehlentscheidungen aufgrund von Intransparenz oder fehlendem Sparring sind häufig die Folge. Studien zeigen: Unternehmen mit schwacher Governance erzielen über längere Zeiträume signifikant niedrigere Renditen.

Verpasste Chancen: Unternehmen ohne strukturierten Zugang zu externen Perspektiven agieren oft in geschlossenen Denksystemen. Innovationen, Transformationspotenziale oder Krisensignale werden zu spät erkannt. Ein wirksamer Beirat könnte hier frühzeitig Impulse geben – wenn er strukturell verankert ist.

Reputations- und Compliance-Risiken: Fehlende Kontrollmechanismen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Verstößen – etwa in den Bereichen Datenschutz, Lieferkettensorgfalt oder ESG. Solche Vorfälle gefährden nicht nur die rechtliche Position, sondern auch die Marke und das Vertrauen zentraler Stakeholder.

Finanzierungskosten: Banken und Investoren bewerten Unternehmen mit schwachen Governance-Strukturen als riskanter. Die Folge: erschwerter Kapitalzugang, höhere Risikoaufschläge, geringere Verhandlungsmacht – gerade in Phasen strategischer Neuausrichtung.

Nachfolgekonflikte: Besonders in familiengeprägten Unternehmen wird der fehlende strukturelle Rahmen bei der Übergabe spürbar. Ohne Governance-Struktur fehlt die neutrale Bühne, um Rollen, Erwartungen und Verantwortung frühzeitig zu klären. Konflikte sind vorprogrammiert, Kontinuität gefährdet.

Die sieben Steuerungselemente – kompakt zusammengefasst

Die unter Punkt 3 angesprochenen sieben Steuerungselemente (Strategie, Risiko, Kultur, Gremien und Strukturen, IT/KI, Compliance und Nachhaltigkeit) bilden gemeinsam das Fundament einer wirksamen Governance-Architektur. Sie helfen, Prioritäten zu setzen, Zuständigkeiten zu klären und langfristige Unternehmensziele strukturiert zu unterstützen.

Je klarer diese Elemente aufeinander abgestimmt sind, desto tragfähiger ist ein Beirat – und desto mehr kann Governance ihren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit leisten.

Wie Unternehmen ihre Beiratsfähigkeit entwickeln

Die Entwicklung hin zu Beiratsfähigkeit ist ein strukturierter Prozess. Sie beginnt selten mit dem Beirat selbst – sondern mit der Reflexion über die eigene Steuerungsfähigkeit, Entscheidungsstruktur und Unternehmenskultur. Dabei lassen sich vier typische Entwicklungsphasen beobachten:

Phase 1: Bewusstseinsbildung

  • Erkenntnis, dass informelle Strukturen an Grenzen stoßen
  • Erste Gespräche zu Rollen, Verantwortung und Governance-Verständnis
  • Entwicklung eines Zielbilds für professionelle Steuerung

Phase 2: Struktureller Aufbau

  • Dokumentation von Prozessen und Entscheidungswegen
  • Einführung regelmäßiger Reporting- und Kommunikationsformate
  • Klärung der Eigentümer-, Führungs- und Kontrollrollen

Phase 3: Integration und Systematisierung

  • Verknüpfung der Governance-Steuerungselemente (z.  Strategie, Risiko, ESG)
  • Aufbau eines integrierten Governance-Zyklus mit Planung, Überwachung und Anpassung
  • Einbindung des Beirats als strukturierter Bestandteil der Steuerung

Phase 4: Optimierung und Weiterentwicklung

  • Regelmäßige Evaluation von Gremienarbeit und Governance-Wirkung
  • Anpassung an neue regulatorische, personelle oder marktbezogene Herausforderungen
  • Verankerung von Governance als Führungsverständnis

Kritische Erfolgsfaktoren

  • Leadership Commitment: Ohne klare Unterstützung der Geschäftsführung und Gesellschafter bleiben Governance-Initiativen wirkungslos
  • Kulturwandel: Governance bedeutet nicht nur Struktur, sondern auch Haltung – etwa im Umgang mit Verantwortung, Feedback und Fehlern
  • Schrittweises Vorgehen: Veränderungen müssen nachvollziehbar und mitnehmend gestaltet werden – nicht als Systemwechsel über Nacht
  • Externe Begleitung: Ein objektiver Blick von außen hilft, blinde Flecken zu erkennen und den Reifeprozess zu beschleunigen

Tools wie das Advantage Governance Maturity Model (AGMM) können hier wertvolle Unterstützung bieten:

  • Es macht sichtbar, wo ein Unternehmen governance-seitig steht
  • Es zeigt auf, welche Steuerungselemente ausgebaut werden müssen
  • Es liefert eine Roadmap zur schrittweisen Entwicklung hin zu Beiratsfähigkeit

Transparenz-Hinweis: Das im Text erwähnte AGMM wurde von Advantage Governance entwickelt, deren Gründer auch im Vorstand von NextGen Board e.V. tätig ist. NextGen Board empfiehlt verschiedene Tools und Partner, je nach spezifischen Unternehmensanforderungen.

Die Rolle von NextGen Board e.V.

NextGen Board e.V. begleitet Unternehmen auf dem Weg zur Beiratsfähigkeit – analytisch, strukturiert und praxisnah.

Unser Angebot:

  • Erste strukturierte Prüfung der Beiratsfähigkeit anhand zentraler Kriterien
  • Identifikation von Stärken und Entwicklungspotenzialen
  • Begleitung bei der Gestaltung wirksamer Gremienstrukturen

Wo eine vertiefte Analyse sinnvoll ist, kann auf Tools wie das AGMM zurückgegriffen werden. Wir unterstützen Unternehmen dabei, die für sie passenden Wege zu identifizieren.

Fazit: Beiratsfähigkeit ist gestaltbar

Beiratsfähigkeit ist kein Zufall, sondern Ergebnis reflektierter Unternehmenssteuerung. Wer Gremien einsetzt, braucht zuvor Klarheit über Strukturen, Verantwortung und Kommunikation.

NextGen Board schafft Raum für diese Reflexion – fundiert, vertrauensvoll und mit dem Blick für das Machbare.

Denn nur wenn die Voraussetzungen stimmen, entfalten Beiräte ihre volle Wirkung.

Die entscheidende Frage ist nicht, ob Ihr Unternehmen einen Beirat braucht – sondern ob es bereit ist, Steuerung wirksam zuzulassen: durch den offenen Dialog mit einem Gremium, das echte Verantwortung übernimmt.

Ein wirksamer Beirat braucht nicht nur Strukturen, sondern auch ein Mandat – zur Mitgestaltung, zur Überwachung und zur Mitverantwortung in der Governance-Architektur Ihres Unternehmens.