Viele Unternehmen denken über einen Beirat nach, aber warten auf den „richtigen Moment“. Dr. Isabel Hacker, Vorstandsmitglied bei NextGen Board erläutert, warum Erfahrung zielführender ist als Perfektion.
1. Dr. Isabel Hacker, was steckt hinter dem Konzept „Beirat auf Probe und warum ist genau das so spannend für den Mittelstand?
Der „Beirat auf Probe“ ist unsere Einladung, den Wert externer Perspektiven praktisch zu erleben. Das ist möglich, ohne gleich ein perfektes Gremium mit allen Regeln und Strukturen aufbauen zu müssen.
Viele Unternehmen zögern, weil sie glauben, es brauche erst Satzung, Geschäftsordnung und Rollenbeschreibung, bevor sie starten können. Die Realität zeigt, dass wirkungsvolle Beiratsarbeit nicht aus Formalien entsteht, sondern aus Erfahrung.
Gleichzeitig braucht es auch bei einem Beirat auf Probe ein Mindestmaß an, was ich als „unsichtbare Ordnung“ bezeichne. Das bedeutet also eine klare Governance-Basis. Die Erfahrung zeigt, dass Rahmen, Rollenbeschreibung und Rhythmus stimmen müssen (beispielsweise die Anzahl der Sitzungen, der Themenfokus, die Feedback-Loops), damit ein Beirat seine Impulse wirklich entfalten kann.
Spannend ist, dass sich der Beirat auf Probe nicht nur innerhalb bestehender Governance-Strukturen bewährt, sondern selbst dazu beitragen kann, diese aufzubauen und zu implementieren. Unternehmen erleben dabei im Prozess selbst, welche Elemente, etwa Entscheidungswege, Informationsflüsse oder Verantwortlichkeiten, fehlen oder gestärkt werden sollten. In diesem Fall kann der Beirat auf Probe selbst als Steuerungselement der (aufzubauenden) Governance agieren.
Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer erleben, wie externe Perspektiven Diskussionen inspirieren und strukturieren, Entscheidungen vertiefen und neue Denkräume öffnen, erkennen sie oft zum ersten Mal ganz praktisch, was Governance im eigenen Unternehmen wirklich bedeutet: Klarheit schaffen, Vertrauen fördern und strategisches Denken anregen.
So wird aus dem Beirat auf Probe nicht nur ein Lernfeld, sondern ein Katalysator für bessere Entscheidungen und zukunftsfähige Strukturen.
2. Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxis bisher gemacht?
Unsere Erfahrungen bei NextGen Board, etwa mit dem Pilotprojekt bei der LICO GmbH, zeigen ganz klar: Sobald ein Beirat tatsächlich arbeitet, verändert sich der Dialog im Unternehmen.
Die Themen werden strategischer, die Diskussionen klarer, die Perspektiven breiter.
Besonders spannend finde ich, dass sich dann öfter die Eigentümerrolle verändert, weg vom reinen Tagesgeschäft, hin zu mehr Reflexion über Strategie, Zukunft und Nachfolge.
Mich bestätigt das immer darin, dass Governance kein Selbstzweck ist, sondern ein Werkzeug, das Wachstum, Vertrauen und Verantwortung fördert.
Auch wenn Unternehmen wie Menschen sind, also individuell und verschieden, und es keine „one-fits-all“-Lösung gibt, kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass ich bisher noch kein Unternehmen erlebt habe, wo ein ordentlich aufgesetzter Beirat keinen (messbaren) Mehrwert gebracht hätte.
Der „Beirat auf Probe“ bringt auf jeden Fall Bewegung. Das gilt für die Strukturen, aber vor allem zeigt es sich auch im Denken.
3. Was raten Sie Unternehmen, die über einen Beirat nachdenken, aber noch unsicher sind?
Einfach anfangen, aber bewusst.
Der wichtigste Schritt ist, sich klarzumachen, welchen Mehrwert ein Beirat bringen soll: Austausch? Sparring? Strategische Weitsicht?
Der Beirat auf Probe hilft, das auszuprobieren und zu lernen, was wirklich zum Unternehmen passt und was gebraucht wird. Er nimmt den Druck heraus, sofort alles perfekt machen zu müssen und schafft Raum für Entwicklung.
Und von daher rate ich: Mut zum Start ist der erste Schritt zu guter Governance.